Die Konstellation ist in Sexualstrafverfahren alles andere als selten: Der Angeklagte und die Nebenklägerin führten zum Zeitpunkt der angeklagten Tat eine Intimbeziehung. So auch in diesem Fall, der dem Bundesgerichtshof Gelegenheit gab, seine Rechtsprechung zu den Anforderungen an die Beweiswürdigung fortzuschreiben (BGH Beschl. v. 23.3.2021 – 1 StR 50/21 NStZ-RR 2021, 218):

Das Landgericht München II stellte Folgendes fest: Nachdem beide zunächst einvernehmlich Geschlechtsverkehr hatten, schlief die Nebenklägerin ein. Während ihres Schlafs führte der Angeklagte – wohl wissend, dass die Nebenklägerin schlief – einen Vibrator und einen Zeigefinger in die Vagina der Nebenklägerin ein, um sich sexuell zu erregen. Hiervon fertigte er Fotos an, die er der Nebenklägerin später per WhatsApp übersandte.

Der Bundesgerichtshof kassierte das Urteil. Das Landgericht habe nicht tragfähig belegt, dass der Nebenklägerin das Einverständnis mit den besagten Handlungen fehlte bzw. der Angeklagte zumindest davon ausging, mit ihrem Einverständnis zu handeln.

Ob ein Intimpartner in einer konkreten Situation vom Einverständnis seines Partners mit der jeweiligen sexuellen Handlung ausging, ist rechtlich relevant für die Frage des Vorsatzes. Genauer gesagt hängt davon ab, ob er die Unfähigkeit seiner schlafenden Partnerin, nein zu sagen, vorsätzlich ausnutzte. Das wäre nicht der Fall, wenn er sich vorstellte, dass seine Partnerin mit sexuellen Handlungen während ihres Schlafs einverstanden war.

Spätestens hier wird die Sachverhaltsrekonstruktion heikel. Denn was sich jemand zu einem früheren Zeitpunkt vorgestellt hat und was nicht – ob er mit etwas einverstanden war oder irrtümlich dachte, sein Gegenüber sei einverstanden – lässt sich nur anhand von Indizien annäherungsweise erarbeiten. Deshalb macht der Bundesgerichtshof, der selbst keine Beweise erhebt, sondern den Sachverhalt übernimmt, den die Vorinstanz im Urteil festgestellt hat, strenge Vorgaben, wie die Vorinstanz das Ergebnis seiner Beweiswürdigung zu begründen hat. Dazu gehört, dass das Gericht alle Indizien in den Blick nimmt, die für die Frage des Einverständnisses der Nebenklägerin oder der Vorstellung des Angeklagten hierüber von Bedeutung sein können.

Dies habe das Landgericht München II hier nur lückenhaft getan.

Es habe nicht beachtet, wie die Nebenklägerin auf die übersandten Bilder reagierte. Ihren WhatsApp-Nachrichten war nämlich keine Ablehung gegenüber den abgebildeten Handlungen zu entnehmen. Stattdessen antwortete sie, dass sie sich auf den Bildern „viel zu fett“ finde. Im Ermittlungsverfahren darauf angesprochen sagte sie erneut, sie nehme dem Angeklagten „nichts krumm, sie möge nur die Bilder nicht“.

Das Landgericht habe noch eine weitere Äußerung der Nebenklägerin im Ermittlungsverfahren nicht berücksichtigt. Die Nebenklägerin hatte angegeben, dass sie das Verhalten des Angeklagten als „nicht so schlimm“ empfinde. Sie habe mit dem Angeklagten nie Sex gegen ihren Willeng gehabt. Ihre Strafanzeige habe sie aus einem ganz anderen Grund gestellt. Seine Strafverfolgung wegen dieses Vorfalls habe sie nicht gewollt. Sie „habe nicht gedacht, wie sich das alles hier in Bayern entwickele“.

Schließlich habe das Landgericht den Umstand, dass der Angeklagte offenbar „ohne schlechtes Gewissen und zusteimmungsheischend“ die Bilder nach dem Vorfall per WhatsApp an die Nebenklägerin versandte, nicht in den Blick genommen.

Da diese Umstände dagegen sprachen, dass die Nebenklägerin mit den Handlungen nicht einverstanden war bzw. der Angeklagte den Schlaf seiner Partnerin bewusst ausnutzte, um von ihr unerwünschte sexuelle Handlungen an ihr auszuüben, hätte das Landgericht begründen müssen, warum es trotzdem von der Schuld des Angeklagten überzeugt war.